Der Aufbau einer konsistenten, vertrauten Marke ist für alle Unternehmen schwierig. Für kleine Produzenten und Food Start-ups kann dies zur Herkulesaufgabe werden. Mit wenig finanziellen Möglichkeiten und ohne Erfahrung im Markenaufbau verliert man sich gerne in den unendlichen Möglichkeiten der Gestaltung und ist schliesslich vielleicht doch nicht erfolgreich oder glücklich damit.
Junge Marken dürfen noch jung sein
Häufig werden Marken mit Menschen oder dem menschlichen Charakter verglichen, und bei etablierten Marken ist dies durchaus stimmig, da sie ebenso vielschichtig und facettenreich sein können. Was Goethe über den Charakter schreibt, das trifft auch auf Marken zu: «Es bildet ein Talent sich in der Stille, sich ein Charakter im Strom der Welt.» Die Facetten bilden sich mit der Zeit. Gerade eine neu geschaffene Marke konnte sich noch gar nicht «im Strom der Welt» formen. Es bleibt ihr nichts anderes übrig, als einfach zu beginnen.
Perspektivenvielfalt im Team
Im Optimalfall beschleunigt man den Prozess einer neuen Marke, indem man die Markenidentität im Team erarbeitet und mit unterschiedlichen Personen bespricht. Es gibt mehrere Tools und Vorlagen, mit denen man die Markenidentität beschreiben kann. Meist beinhalten sie Markennutzen, Attribute, Tonalität etc. und sind kreisförmig angeordnet. Doch nicht die Vorlage ist entscheidend, viel wichtiger ist der Prozess dieses Herausarbeitens, das Schaffen eines stimmigen Bildes. Man setzt sich im wahrsten Sinne «auseinander», nimmt also unterschiedliche Perspektiven ein, stellvertretend für die unterschiedlichen Kundinnen, welche die Produkte dieser Marke dann auch kaufen sollen. Oder noch besser: Man diskutiert die Markengestaltung auch mit potenziellen Kunden und Konsumenten.
«Die Marke muss den Produzenten, den Handel und die Kunden begeistern. In dieser Reihenfolge. Dann kann der Funke springen.»
Mit der Verpackung beginnen
Wenn die richtigen Worte zur Beschreibung der Markenidentität gefunden wurden und der Schritt in die visuelle Umsetzung ansteht, kommt Leben in die Marke. Da man gerade bei kleinem Budget sehr haushälterisch mit Agentur- oder Grafikerkosten umgehen muss, sind klare Prioritäten entscheidend. Wir empfehlen im Food-Bereich einen Fokus aufs Verpackungsdesign. Es ist quasi das Herzstück, das zentrale Kommunikationselement mit dem Konsumenten, welches Erst- und Wiederkauf sicherstellen soll. Und es hilft, sich die verschiedenen Kommunikationsaufgaben und Situationen vorzustellen, welche die Verpackung erfüllen soll. Im Vordergrund steht zuerst, dass das Design die gewünschte Markenidentität erzeugt und die Zielgruppen anspricht. Doch dann folgt eine Reihe weiterer Fragen, und jede Frage an sich kann ein Stolperstein darstellen. Wie wirkt das Produkt im Regal? Funktioniert das Design auch in einem Onlineshop? Sind die Produktvorteile klar ersichtlich? Und ist überhaupt klar, wie man das Produkt öffnen und nach Gebrauch entsorgen soll? Sind alle rechtlichen Vorlagen erfüllt? Gibt die «coole» Markengeschichte Anreiz für einen Wiederkauf? Einige Fragen lassen sich auch pragmatisch beantworten, beispielsweise indem man das Verpackungsdesign in ein Foto des Supermarktregals «einfügt» und so einen Eindruck der späteren Realität erhält. Steht die Verpackung als visuelles Referenzobjekt fest, folgen die anderen Touchpoints.
Lernen und verändern
Durch die Erfahrung im Austausch mit dem Handel, den Konsumentinnen und dem Umfeld lernt man stetig dazu. Man braucht sich nicht zu schämen, wenn man nach kurzer Zeit schon wieder Änderungen an den Designs vornehmen will. Die junge Marke entwickelt sich. Digitale Kanäle sind gnädiger für Anpassungen und eignen sich daher auch besser zum Ausprobieren. Doch wenn es nicht anders geht, muss auch eine Verpackung anpasst werden, selbst wenn dies hohe Kosten zur Folge hat. Wenn der Auftritt Falsches verspricht oder nicht begeistert, ist dieser mutige Schritt nötig, um den Erfolg nicht zu gefährden. Es wird daher immer mal einen Augenblick geben, wo nicht alle Kommunikationsmittel komplett einheitlich sind. Das ist nicht schön und steht so auch nicht in den Büchern. Vielleicht ist es wie bei einem Jugendlichen, der sich zum Erwachsenen entwickelt. Da gibt’s auch mal Momente, auf welche man rückblickend nicht stolz ist. Doch die gehören zum Erwachsenwerden dazu.
Foto: Sibylle Jenni / The Tiny Factory